Interpretation

Dieses Wochenende dient der ersten Orientierung und irgendwie auch Strukturierung.

Im Radio und in der Zeitung gibt es seit diesem Wochenende KEIN anderes Thema mehr. Die LZ hat praktisch eine ganze Zeitung nur mit dem Thema "Virus" (ich überlege, ob ich diese Ausgabe mal aufhebe). Auch im Internet u.a. bei Twitter, ist Covid-19 das Zentrum aller Tweets. 

Wir scheinen mitten in der Pandemie zu sein...und doch: Noch scheint das Virus hier nicht angekommen zu sein. 

Ich bin neugierig und fahre runter in die Stadt. Ich will auch dem Markt einkaufen. Außerdem muss ich wirklich sehr dringend zum Frisör. 

Auf dem Marktplatz keine Spur von Panik. Alle Stände sind vorhanden und überall ist Betrieb. Nicht überragend viel - aber ich bin ja auch sehr früh hier. 

An einem Stand unterhält sich der Stadtfotograf mit einem der Hauptdarsteller der Telenovela "Rote Rosen". Beide stellen erstaunt fest, dass sie nicht mit einem Marktbetrieb gerechnet haben. Gefühlt ist eigentlich alles wie sonst auch. Auch haben eigentlich alle Geschäfte auf. 

Trotzdem: Eine leichte Verunsicherung ist da, die man auch auf dem Markt spürt, wie z.B. in dem mitgehörten Gespräch des Fotografen mit dem Schauspieler (ich stand daneben und wartete auf meinen Becher "Kimchi") als auch im Duktus der Zeitungen, die irgendwie eine ganz andere Sprache sprechen. Hier ist von der "Corona-Krise" die Rede. Kliniken haben noch "keinen ausgereiften Notfallplan" (LZ 14.03.20 - S.3), die Gastronomen haben jetzt schon "Existenzängste". Die Kommunalen Verkehrsgesellschaften verkünden "Buseinstieg nur noch hinten" (LZ 14.03.20 S.t 5) und sperren den Fahrerbereich mit Klebeband ab. Gleichzeitig wird aber trotzdem die Schließung der Schulen als derzeit noch überzogen angesehen und vor allem im Bezug auf die Betreuungsprobleme der Elten als kritisch bewertet (im selben Artikel), Christian Drosten hat allerdings dazu im NDR Podcast seine Meinung in der letzten Woche geändert. Das sollen jetzt doch dringend notwendige Maßnahmen sein - was er kurz vorher noch anders sah.

Aber was auffällt ist, dass mit jedem Tag seit Freitag immer mehr Veranstaltungen ausfallen. In der Samstagausgabe fällt mir zum ersten Mal eine Liste auf, die diese Termine konkret nennt. Und daneben wieder eine "Allgemeinverfügung des Landkreises Lüneburg", in der "Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern" ab Montag untersagt sind. Unfassbar, wie viel in der Stadt unter der Woche so passiert an Kultur und sonstigen Veranstaltungen - und was jetzt alles auf unbestimmte Zeit ausfällt.

Und sogar Gottesdienste werden ausgesetzt - hier allerdings noch auf Empfehlung der beiden großen christlichen Kirchen (LZ 14.03.20 - S. 4)

Christina wird erst am Montag erfahren, inwieweit sie in Notbetreuung eingesetzt wird. 


Wird das so sein? (Headline eines "Blickpunktberichts" in der LZ am 13.03.20)

Über das Wochenende verteilt rede ich mit einigen Leuten. Ich versuche die Situation positiv zu sehen. Vielleicht auch zum Selbstschutz. Vor allem sehe ich die Ausfälle der sportlichen Groß-Events als durchaus gewinnbringend für alle. Klar tun mir die Leute leid, die damit ihr Geld verdienen. Aber jedes Jahr dasselbe - ein Marathon jagt den nächsten, ein Groß-Event das andere. Es hört nicht auf und die Stadt (in dem Fall Hamburg) kommt kein Wochenende ab April zur Ruhe. Und jetzt: Pausentaste. Kann das mal so schlecht sein? (mir persönlich würde auch mal eine Weihnachtspause alle fünf Jahre durchaus gefallen).

Die "1000 Teilnehmer Verfügung" vom 14.03.20

Und was Greta nicht geschafft hat - ein 0.00006 mm großes Virus schafft es: Die alljährliche Urlaubsprozession mit dem Flieger - sie findet zumindest für die nächste Zeit ein Ende. Und wie ich gestern in einem Kommentar in der Bild-Zeitung (ja - aber ich war beim Frisör) gelesen habe, sah der Kommentator darin sogar eine gewisse Erleichterung. Einmal nicht darüber nachdenken, was und wo man im Frühjahr oder Sommer machen soll. So schlecht kann das für das Klima doch nicht sein. Den finanziellen Schaden und die angeblich drohende Rezession mal beiseite geschoben. Von denen ich übrigens auch noch nicht so überzeugt bin, angesichts der von der EU letzte Woche bereit gestellten 25 (andere Quellen sprechen von 125) Milliarden Entschädigung für betroffene Unternehmen. Natürlich immer fraglich, wer das überhaupt bekommt und vor allem, wie schnell. 

Und vielleicht ist das für die Gesellschaft mal ganz gut, wenn all diese Unternehmens-Leichen, die nur mit Geldspritzen ohne Ende am Leben gehalten werden, sich selbst regulieren. Und müssen wir wirklich für 185,- Euro Pauschalurlaub - inklusive Flug - 7 Tage auf Malle machen? Hier bestimmt doch das Angebot den Preis - und gut für den Menschen und die Umwelt kann das nicht sein. Klar - da hängen Jobs dran. Aber was verdienen die den wirklich an diesen "Last-Minute-Angeboten" (welche Qualität und Klasse diese Angebote haben, durften wir ja letztes Jahr in Hurghada erleben, wo wir 16 Stunden damit zubringen durften).

Nun, ich habe - jetzt jedenfalls noch - leicht reden. Uns geht es ganz gut. Noch. 

So vergeht also das Wochenende und wir hören mit Staunen die Radioberichte über die immer eskalativer werdende Situation in Italien, wo der Ausnahmezustand ausgerufen wurde.

Was wird die nächste Woche bringen?

Ich werde morgen mit dem Zug nach Hamburg fahren, um da mal zu sehen, ob das noch läuft (der Metronom hatte heute Abend Zugaussetzungen für die nächste Zeit in Aussicht gestellt).


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