Tag 60 - Ausbruch

Eigentlich wollte ich heute einen Blog-Beitrag schreiben, der diesen Tag fast als "Urlaubstag" beschreibt. Der "Ausbruch" aus nunmehr 60 Tagen (fast) Isolation. Im Grunde hatte ich mich auf diesen Tag schon seit langem ein wenig gefreut. Mal wieder rauskommen, mal was anderes sehen und mal nicht 8 Stunden auf den Bildschirm starren und dabei pausenlos Videokonferenzen abhalten. Aber so war es nicht. Und selbst wenn der Tag erfolgreich verlaufen wäre, blieb der Trip nach Düsseldorf eher unangenehm. 

Landgericht Düsseldorf

Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Der Termin am Landgericht Düsseldorf fand nicht statt. Wie ich mit Hilfe eines Justizbeamten feststellen konnte, wurde der Termin vor zwei Tagen noch mal verschoben. Nach längerem Suchen - die Geschäftsstelle von Dezernat 11 war nicht mehr anwesend - wurde mir gesagt, dass ich darüber schriftlich informiert worden sei. Am Dienstag! Das macht Sinn, angesichts der aktuell üblichen Zustelldauer und -zeiten. Ganz abgesehen davon, dass das Gericht diese Post immer noch nach Nürnberg schickt, wo sie dann wieder zurückgeschickt wird nach Hamburg - und dort dann jetzt noch eine Weile einsam herumliegen wird. Dazu kommt noch die vom Justizbeamten geäußerte Kritik an dem vom LG genutzten gewerblichen Postzusteller, die scheinbar auch nicht das gelbe vom Ei ist. Also so gesehen ist der Postweg eine tolle Idee, um mir zwei Tage vor dem Termin mitzuteilen, dass der Termin nicht stattfinden wird.

Aber das ist mein Fehler. Ich hätte gestern Morgen nochmal anrufen müssen (auch wenn unklar gewesen wäre, ob ich die Geschäftsstelle erreicht hätte). Ich verließ mich darauf, dass man mich informiert, wenn der Termin nochmal gecancelt wird ("Sie rufen mich dann an?"). 
Ich besorgte noch eine Unterschrift bei einem Richter, dass ich da war, wurde darüber informiert, dass ich die Fahrtkosten schriftlich einreichen muss ("Die Kasse ist derzeit nicht besetzt") und das außerdem von Nürnberg aus die Kosten (2. Klasse) berechnet werden, nicht von Hamburg. 

Also wird dieser Tag auch noch ein Zuschussgeschäft für mich. Großartig. Und über was ich da eigentlich aussagen soll, weiß ich immer noch nicht. 

Für die nächste Runde gehe ich das jetzt anders an...

Aber abgesehen von dem an sich sinnlosen 12 Stunden selber, fühlte ich mich dabei auch insgesamt nicht wohl. Und das lag nicht nur an der Maske, die ich praktisch den ganzen Tag getragen hatte.

Findus guckte heute morgen schon ganz irritiert, dass wir nun BEIDE weggingen. Das gab es in den letzten 60 Tagen doch noch nie. Christina musste schon kurz nach sechs los - sie hatte wieder Schulnotbetreuung heute - auch den ganzen Tag. Kurz vor sieben fuhr ich dann los. 

Auf dem Bahnhof in Lüneburg lief alles sehr entspannt ab. Gerade mal 1-2 % der Fahrgäste hatten auf dem Bahnsteig keine Maske auf - interessanterweise fast nur junge Menschen. Im Zug waren dann aber alle maskiert. Und voll war es auch nicht. Der ICE von Harburg aus war sogar noch leerer, als der Metronom in dem aber auch jeder Fahrgast zwei Sitze für sich hatte.

ICE gegen 11.30 Uhr kurz vor Wuppertal

Auch die Bahnhöfe waren nicht überlaufen. Voll zwar, aber nicht so, dass man den Eindruck hatte, alle paar Sekunden gegen Menschen prallen zu müssen. In den Bahnhofgebäude in Düsseldorf hatten auch alle brav ihre Masken auf. Selbst in Lüneburg im Parkhaus habe ich um kurz nach sieben noch auf Parkdeck 1 einen Platz gefunden - an normalen Tagen um diese Zeit völlig undenkbar.

Und das war Wetter gut und die Landschaft wunderbar satt grün. 

Hätte also alles toll sein können. 

War es aber nicht. Ich wäre am liebsten sofort wieder nach Hause gefahren. Schon  am Morgen war es ein komisches Gefühl, das Haus für fast zwölf Stunden zu verlassen. Sonst bin ich immer gerne unterwegs - aber diesmal fiel es mir spürbar schwerer. Und das hat sicherlich nichts mit "Corona-Angst" zu tun. Die vergangenen 60 Tage haben Spuren hinterlassen. Ich gewöhne mich an den begrenzten Bereich, in dem ich mich bewege und die verringerten Kontakte und damit auch die reduzierten sozialen und gesellschaftlichen Pflichten. So sehr, das ich mich schon gefragt hatte, ob sich  der ganze Aufwand mit der politischen Arbeit und den ganzen damit zusammenhängenden Terminen überhaupt noch lohnt. Geht doch auch gut ohne. Ich will nicht sagen, dass mir die "Welt" da draußen bedrohlich vorkam. Aber sie reizte mich auch nicht wie sonst. Statt dessen war der Impuls "lieber daheim bleiben" spürbar stärker. Was sich auch am Abend in meiner Erschöpfung zeigte. Gut, das waren jetzt auch 12 Stunden unterwegs, was ich so seit zwei Monaten gar nicht mehr gewohnt bin (wie schnell man das verlernt), aber ich konnte dem Trip fast nichts Positives abgewinnen und bin jetzt nur noch müde und platt. 

Und das dürfte ja in den nächsten Wochen nochmal passieren...

Wuppertal Bahnhof Vorplatz - sogar die Löwen sind maskiert

Schwebebahn - fährt

Wuppertal Bahnhof - naja, kein Baudenkmal

Das will ich hoffen!! (Spruch am Wuppertaler Fundbüro im Bahnhof)

Düsseldorf Hauptbahnhof - nicht sehr voll

In der Zeitung war heute das erste mal seit Monaten KEINE Corona-Headline auf der ersten Seite dabei. Zwar noch ein kurzer Bildbericht über die geöffneten Restaurants. Aber dann kam sofort ein Bericht über "Panzerknacker". Erst die "Tui" Meldung - "wir müssen entlassen", führte wieder zu Corona. Aber das halt erst weiter unten. Auch da spürt man den Wandel.

LZ Titelblatt fast ohne Corona-Headliner

Die Kanzlerin hatte Fragestunde.

LZ 14.05.2020

Und das Finanzamt jammert. Wenn hier jemand dazu Grund hat, dann bin das ja wohl ich!

Quelle: Instagram - 14.05.2020

Noch eine Instagram-Tafel zur Schul- und Schülersituation, die ich als "Lehrer-Ehemann" jetzt nicht so ganz nachvollziehen kann. Christina macht alle zwei Tage Videokonferenzen mit ihren Kindern. Und wie schon erwähnt, wird das auch gut und dankbar angenommen. Was die "fehlenden Kontakte" betrifft, finden die aktiven und kreativen Eltern von Christina pfiffige Wege ohne Verletzung von Regelungen. Und auch bezüglich der "Mitsprache" sind ihre Eltern (Die Grundschüler interessiert das sicher noch nicht) in einem konstruktiven gemeinsamen Prozess mit ihr. Ich glaube nicht, dass ihre Schüler im Rückblick unter Corona sehr stark gelitten haben - und sich trotzdem wieder auf die Schule freuen.

Das hängt - wie immer und überall - davon ab, wie sich der Einzelne in die Situation einfindet. Nach meiner Einschätzung hat die Mehrheit von Christinas Schülern (und ihre Eltern) die unten genannten Krisenpunkte für sich und mit Christina gelöst. Die Ausnahmen (Stichwort: Technik( müssen für die "nächste Runde" dann noch abgeholt werden. Nicht abholen können, wird man die kleine Minderheit, die in solchen Ausnahmesituationen aus welchen Gründen auch immer grundsätzlich die Konfrontation suchen - und damit den Lehrern ganz schön auf den Sack gehen. Sei es, weil sie alles ablehnen, Maßnahmen ignorieren, "nur mal was sagen wollten" oder schlicht mit irrationalen Vorschlägen kommen ("Tests über Jitsi.org durchführen"). 

Mit dem Satz "auf die Rolle im Bildungssystem reduziert" kann ich so gar nichts anfangen. Welche "andere" Rolle gäbe es denn da für Schüler noch? Im Bildungssystem sind sie nun mal die Schüler. Das wäre erklärungsbedürftig. 



Quelle: Instagram - Tagesschau vom 14.05.2020

Quelle: Instagram - Tagesschau vom 14.05.2020

Und aus Gründen der Dokumentation anbei die Übersicht über die aktuellen "Corona-Maßnahmen" des Bundestages: https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-massnahmen-bundestag.

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